Die vier Elemente: Erde, Wasser, Luft und Feuer
Was kann die Vier-Elemente-Lehre zum Verständnis der Vegetationsgestalten beitragen? Wenn hier von den klassischen Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer gesprochen wird, ist zunächst Vorsicht geboten. Denn leicht werden diese Vokabeln benutzt, ohne sich die zugrunde liegenden Prozesse und Eigenschaften bewusst zu machen. Woran denken wir bei den vier Elementen? Man kann die Antworten vermutlich in zwei Gruppen einteilen: Die erste assoziiert einen Bereich, in dem Esoterik, Astrologie, ganzheitliche Medizin usw. eine Rolle spielen, der zweite denkt an die rein physikalische Ebene (z.B. beim Feuerelement an die Flamme, beim Luftelement an die physikalische Luft). Wenn man die Elemente eher physikalisch verstehen will, kommt man den lebendigen Prozessen zwischen Vegetation und Standort keinen Schritt näher. Ein eher esoterisches Verständnis ist für unsere Zwecke zu abgehoben. Ich verstehe die Elemente deshalb so: als Aktivität im Zusammenhang mit dem Lebendigen – und das heißt auf der Landschaftsebene: im Zusammenhang mit der Vegetation. Wichtig ist dabei nicht der Stoff oder die Substanz, sondern die Aktivität, die selbstverständlich auch eine physikalische Seite hat, aber eben noch mehr. Was ist damit gemeint?
Wechselwirkungen
Jeder kennt das Phänomen: Man wandert im Sommer durch eine offene Wiesenlandschaft, es ist leicht windig, hell, sehr warm und trocken. Man erlebt diese „Standortfaktoren“ unmittelbar, und Messungen können das Erlebte bestätigen. Nun führt der Weg in einen dichten Laubwald. Sofort ändert sich das Erlebnis des Standortes: Hier ist es schattig, windstill, kühl und feucht. Auch diese „Parameter“ können gemessen werden. Das Beispiel zeigt deutlich, dass die Vegetation nicht nur vom Standort abhängt (nur passiv reagiert), sondern diesen auch aktiv gestaltet: Der Wald macht den Standort feucht-kühl-schattig.
Im Wald ist es die Feuchtigkeit, also die Wirksamkeit des Wassers, die in den Vordergrund tritt. Dabei spielt einerseits die Verdunstung von Wasser eine Rolle (= physikalische Aktivität), andererseits aber auch die Transpiration der Pflanzen (= biologische Aktivität), und schließlich kommt die Wechselwirkung zum Tragen, indem die flächenblättrige Schicht des Kronendaches die Luftfeuchtigkeit steigert und andersherum die Luftfeuchte die Flächenblätter überhaupt ermöglicht.
Diesen gesamten Wechselwirkungs-Komplex bezeichne ich als das Element „Wasser“. Um es aber von dem Wasser der Alltagssprache – mit dem man ja für gewöhnlich das „physikalische“ Wasser meint – deutlich abzusetzen, nenne ich es hier Wasser-Wechselwirkungs-Komplex oder einfacher „Wasser-Komplex“. Entsprechend sollen die anderen Elemente „Feuer-Komplex“, „Luft-Komplex“ und „Erde-Komplex“ heißen.
Ein Beispiel für den Luft-Komplex findet man auf den großen weißen Meeresdünen. Hier wächst der Strandhafer mit seinen linealischen Blättern. Einerseits ist er von diesem speziellen Standort abhängig, da er im Dünenkern nicht-salziges Wasser zur Verfügung hat (bei Salzwasser kann er nicht wachsen), andererseits ist aber auch die Düne vom Strandhafer abhängig: Ohne dessen permanentes Wachstum könnte der Sand gar nicht vom Wind zu diesen Höhen aufgehäuft werden.
Oder das Beispiel der Hochmoore! Die Hochmoorpflanzen sind auf einen sehr nährstoffarmen, sauren und nassen Boden angewiesen. Torfmoos, Glockenheide, Moosbeere und Wollgras könnten sonst nicht wachsen. Aber: Das Hochmoor entsteht erst durch das Wachstum und die Lebensprozesse dieser speziellen Pflanzen, und zwar in erster Linie durch die Torfmoose. Sie halten mit ihrem ausgeprägten polsterförmigen Gestaltelement das nährstoffarme Regenwasser fest und versauern ihre Umgebung durch einen besonderen chemischen Prozess. Sie erzeugen also selbst diesen sehr nährstoffarmen, sauren und nassen Boden!
Vegetationsgestalten und die vier Elemente
Die Wechselwirkungen zwischen Vegetation, Boden und Klima können nun auf der Ebene der Vegetationsgestalten weiter verfolgt werden. Es zeigt sich, dass eine deutliche Wechselwirkung zwischen den Vegetations-Gestaltelementen und den maßgeblichen Standortfaktoren besteht. Die folgenden Fragen sollen Anregung geben, sich selbst über die Standortkräfte einer Pflanzengesellschaft klar zu werden. Als Resümee kann eine Zuordnung zu einem der vier klassischen Elemente Feuer, Luft, Wasser, Erde versucht werden.
Kann sich die Vegetation im Innern sehr erwärmen oder bleibt sie eher kühl? = Frage nach Feuer (Beispiel: kornförmiges Gestaltelement in den Mauerpfeffer-Trockenrasen).
Wie weit kann das Licht in den Pflanzenbestand eindringen? Vielleicht sogar bis zum Boden? Oder wird es schon weiter oben abgeschirmt? = Frage nach Feuer + Luft (Beispiel: linealisches Gestaltelement in der Strandhafer-Gesellschaft, in Trockenwiesen, in Steppenrasen). Kann der Wind in den Pflanzenbestand eindringen oder wird er eher abgeschirmt? = Frage nach Luft (Beispiel: linealisches Gestaltelement in der Strandhafer-Gesellschaft, in Trockenwiesen, in Steppenrasen).
Ist anzunehmen, dass Feuchtigkeit durch große Blätter gefördert oder erzeugt wird? = Frage nach Wasser (Beispiel: flächenblättriges Gestaltelement im Kronendach des Waldes, in der Pestwurz-Gesellschaft).
Ist bleibendes Wasser am oder über dem Boden sichtbar? = Frage nach Wasser (Beispiel: flächenblättriges Gestaltelement in der Seerosen-Gesellschaft).
Gibt es Gelegenheit zur Rohhumus- oder Torfbildung? Ist Rohhumus oder Torf beobachtbar? = Frage nach Erde (Beispiel: polsterförmiges Gestaltelement in der Torfmoos-Gesellschaft der Hochmoore).
Gibt es Verholzung? Wird Holz gebildet? = Frage nach Erde (Beispiel: Stammraum-Gestaltelement im Wald).
Die Elemente in der Lichtvegetation
Unter dem Begriff Lichtvegetation habe ich eine besondere Gruppe von Pflanzengesellschaften der Kulturlandschaft zusammengefasst. Es handelt sich um artenreiche, heute seltene, bunte und „schöne“ Gesellschaften mit vielen Arten der Roten Listen. Sie machen durchweg einen lichten Eindruck und sind auch so strukturiert, dass sie für die Kräfte von Luft, Licht und Wärme durchlässig sind und diese zum Ausdruck bringen. Das hängt mit ihrer charakteristischen Vegetationsgestalt zusammen, in der das strahlige, linealische Gestaltelement dominiert, wie es sich vor allem in den Gräsern ausdrückt. Beispiele sind die Trockenrasen, Magerrasen und Heiden, auch artenreiche Glatthaferwiesen und wildkräuterreiche Getreidefelder. Es gibt sie aber genauso auf feuchten Böden, wie die Pfeifengras-Streuwiesen und die Blaugraswiesen.
Typische Lichtvegetation: Kalkmagerrasen
mit Purpur-Knabenkraut
Typische Lichtvegetation: Sandtrocken-rasen mit Glockenblumen und Echtem Labkraut
Erhaltung und Neuentwicklung von Lichtvegetation
Die Pflanzengesellschaften der Lichtvegetation werfen das Problem auf, dass sie unter den Bedingungen der heutigen Zivilisationslandschaft nicht mehr automatisch entstehen. Die Lichtvegetation ist vor allem durch historische Landnutzungen entstanden. Unsere Väter und Mütter, unsere Großväter und Großmütter, viele Generationen von Bauern und Bäuerinnen, die uns in der Gestaltung unserer Heimatlandschaften vorangingen, haben an diesen Licht-Pflanzengesellschaften kreativ mitgewirkt. Ich sage hier bewusst kreativ, denn ich glaube, dass diese Gesellschaften nicht einfach nur Nebenprodukt eines wirtschaftlichen Existenzkampfes waren, sondern dass intensive menschliche Kreativität, menschliche Lichtimpulse, mit eingeflossen sind – eine Ansicht, die in einem materialistischen Zeitalter allerdings zwangsläufig abgelehnt wird.
Lässt man ein nicht-materialistisches Denken über Kreativität und menschliche Lichtimpulse zu, kann auch das vieldiskutierte Problem der Naturschutz-Museumslandschaft anders aufgefasst werden. Dann geht es nicht mehr um die Erhaltung einer Kulisse aus dem 19. Jahrhundert, aus der alles (gesellschaftliche) Leben herausgezogen ist, sondern um das Neu-Aufgreifen eines Kräfte-Zusammenhanges zwischen Mensch und Natur, der schon einmal auf dem Wege zu einer Blütezeit war, aber die eigentliche Blüte vielleicht noch gar nicht erreicht hatte – das wäre dann die Aufgabe der nächsten Zukunft.
Der erste Schritt in diese Richtung, die biologische Vielfalt einer Gegend wieder zu steigern, erfordert eine Konzentration auf die Lichtvegetation.
Diese ist jedoch nur zu haben, wenn wir sie bewusst pflegen und bewirtschaften. Wichtig ist, dass wir dieses Bewusstsein entwickeln, dass wir unseren Geist, unsere Begeisterung, unser Bewusstseinslicht darauf richten.
Eigene Publikationen zum Thema
- H.-Ch. Vahle (2004): Lichtrasen. Zum landschaftsökologischen, ästhetischen und landwirtschaftlichen Verständnis von Magerrasen. – Natur und Landschaft 79 (1): 10-17.
- H.-Ch. Vahle (2005): Lichtrasen für die Landwirtschaft. Zum Wert extensiver Wiesen und Weiden für Landwirtschaft und Landschaft. – Lebendige Erde 56 (1): 40-43. Darmstadt.
- H.-Ch. Vahle (2005): Lichtrasen als Brennpunkte zwischen Erde und Kosmos in der Landwirtschaft gestalten. – In: Landwirtschaft und Kosmos. Dokumentarband zur Landwirtschaftlichen Tagung 2005 am Goetheanum. Hrsg.: Sektion für Landwirtschaft der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum von S.O. Mahlich: 161-167.
- H.-Ch. Vahle (2006): Lichtvegetation in die Landwirtschaft! – In: Van Elsen, Th. (Hrsg.): Einzelbetriebliche Naturschutzberatung – ein Erfolgsrezept für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft. Beiträge zur Tagung vom 6.-8. Oktober 2005 in Witzenhausen: 99-108.
- H.-Ch. Vahle (2007): Die Pflanzendecke unserer Landschaften. Eine Vegetationskunde. – Verl. Freies Geistesleben, Stuttgart (im Druck, Auslieferung 10.10.2007).
Wiesen
Die meisten Pflanzengesellschaften der Kulturlandschaft sind von Gräsern beherrscht, sei es als Getreide auf den Äckern, als Wiesengräser, Weidegräser oder Trockenrasengräser. Durch die vielen beigesellten Kräuter ist diese Vegetation durchweg blütenreicher als die natürlichen Wälder – ein Zeichen von vorherrschenden Licht-, Luft- und Wärmeprozessen.
Eine zentrale Gestalt dieser lichthaften Kulturlandschafts-Vegetation ist die Wiese. Wiesen waren noch vor 100 Jahren in Mitteleuropa landschaftsprägend. Jede Landschaft hatte ihren speziellen Wiesentyp: Feuchtwiesen in den norddeutschen Niederungen, Trockenwiesen im kalkreichen Hügelland, Bergwiesen in den Mittelgebirgen und den Alpen und viele andere mehr.
Einer der Wiesentypen hielt dabei die Mitte zwischen den vielen teilweise extrem unterschiedlichen Wiesenformen: Die Glatthaferwiese. Sie wächst am besten auf nährstoffreichem Lehmboden und war früher in ganz Mitteleuropa verbreitet. In ihrem trockenen Flügel vermittelt sie zu den Trockenrasen und in ihrer feuchten Ausbildung zu den echten Feucht- und Nasswiesen.
Am Beispiel der Glatthaferwiese können wir erfahren, was eine wirkliche Wiese ausmacht. Denn leider wird heute alles Mögliche mit „Wiese“ bezeichnet, was gar keine Wiese ist, beispielsweise Rasen oder Weiden. Was sind nun die Kennzeichen einer „echten“ Wiese? Zunächst die Gestalt: beherrscht von hohen Gräsern und langschäftigen Kräutern und Blumen ist in der Wiese das linealische Gestaltelement tonangebend. Im Unterwuchs finden sich breitflächigere Blätter der Kräuter, die jedoch keine dichte, zusammenhängende Schicht bilden. Licht, Luft, Wärme und Wind können tief in den Bestand eindringen.
Wichtigstes Gras ist der Glatthafer, der über 1,50 m hoch werden kann und mit seinen silbrigen, überhängenden Rispen die obere Schicht bildet. Dieses Gras ist gestaltbestimmend und zugleich das wichtigste Futtergras der Wiese mit hohem Futterwert. Viele der beigesellten Wiesenblumen bilden nicht nur schöne Blüten, sondern sind ebenfalls wichtige Futterpflanzen, wie beispielsweise Wiesenpippau, Bärenklau, Vogelwicke und Platterbse.
So hat die Wiese eine bestimmte, charakteristische Artenzusammensetzung. Ebenso gehört zu ihrer Charakteristik die Bewirtschaftung: Sie wird zwei- bis dreimal im Jahr gemäht und höchstens im Herbst kurz nachbeweidet. Das Mähgut wird zu Heu getrocknet, nicht zu Silage verarbeitet, da durch Silagenutzung der Mähzeitpunkt auf Dauer früher gelegt wird, wobei sich die Artenzusammensetzung der Wiese verändert.
So hat die Wiese eine bestimmte, charakteristische Artenzusammensetzung. Ebenso gehört zu ihrer Charakteristik die Bewirtschaftung: Sie wird zwei- bis dreimal im Jahr gemäht und höchstens im Herbst kurz nachbeweidet. Das Mähgut wird zu Heu getrocknet, nicht zu Silage verarbeitet, da durch Silagenutzung der Mähzeitpunkt auf Dauer früher gelegt wird, wobei sich die Artenzusammensetzung der Wiese verändert.
Um die Wiese richtig wertschätzen zu können, ist es wichtig, sich deren vielfältige Bedeutungen bewußt zu machen. Die wichtigste ist selbstverständlich die landwirtschaftliche Bedeutung: Das Wiesenheu ist (bzw. war) das wichtigste Winterfutter für die Tiere im Stall: Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen.Um die Wiese richtig wertschätzen zu können, ist es wichtig, sich deren vielfältige Bedeutungen bewußt zu machen. Die wichtigste ist selbstverständlich die landwirtschaftliche Bedeutung: Das Wiesenheu ist (bzw. war) das wichtigste Winterfutter für die Tiere im Stall: Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen.
Der Heuertrag ist mit bis zu 120 Doppelzentnern pro Hektar sehr hoch und hat eine gute Qualität, was sich sowohl positiv auf die Tiergesundheit als auch auf den Geschmack der Milchprodukte auswirkt.
Im Landschaftshaushalt haben Wiesen einen besonders günstigen Einfluss auf die Wasserqualität (der Gewässer, des Grundwassers) und den Boden. Es wird – im Vergleich zu Ackerland und Kleegras – nur sehr wenig Nitrat ausgewaschen und Bodenabschwemmung kommt so gut wie nicht vor, da die Erdoberfläche ständig von Pflanzen bedeckt und der Boden immer durchwurzelt ist.
Außerordentlich bedeutsam sind Wiesen für den Naturschutz, da sie Lebensraum für eine große Zahl seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sind. Besonders reich an diesen „Rote-Liste-Arten“ sind die Trocken- und Magerwiesen sowie die Feucht- und Naßwiesen, also Extremformen der Wiese.
Die Vielfalt führt dazu, dass bunte Wiesen einfach schön sind und auch für Menschen, die sich mit seltenen Arten nicht auskennen, als besonderer Wert an sich erscheinen.
Bunte Blumen, duftende Kräuter, zirpende Heuschrecken und gaukelnde Schmetterlinge unterstreichen diesen Wert im Detail. Ein Aufenthalt in einer Wiesenlandschaft ist wohltuend für Jung und Alt und kommt schon in die Nähe therapeutischer Effekte.
In gesteigerter Form treten die Licht- und Wärmewirkungen der Wiesen in den Magerwiesen auf – die ebenfalls zu den anthropogenen Pflanzengesellschaften gehören. Hier findet die Durchlichtung ihre Krönung, weshalb man sie besser als Lichtwiesen bezeichnen sollte. Durch die lockere Struktur und die linealischen, strahligen Gestalten der Lichtwiesen können die Wirkungen von Licht, Luft und Wärme bis an die Bodenoberfläche herankommen, während dies bei den „normalen“ Pflanzengesellschaften der Landwirtschaft (z.B. fette Mähweiden, Kleegras, Getreide mit Kleegras-Untersaat) durch die flächenblättrige Unterschicht verhindert wird.
Gerade diese bodendeckende Flächenblattschicht macht jedoch in Verbindung mit gut gedüngter, nährstoffreicher, humoser Erde die hohe Fruchtbarkeit des Standortes aus, und es erscheint die kräftige, vitale Grünfärbung der Pflanzen.
Lichtwiesen haben demgegenüber nie dieses frische Maigrün, sondern immer ein bräunliches oder rötliches Grün (auf trockenen Böden) oder ein bläuliches Grün (auf feuchten Böden). Deshalb sehen sie scheinbar krank aus. Was liegt da vor?
Lichtwiesen hatten traditionell ihren festen Platz in dem fein abgestimmten Funktionszusammenhang der Dorfgemarkung, beispielsweise als Lieferanten von diätetischem Heu, das die Tiergesundheit fördert. Der große Blütenreichtum hatte Bedeutung für die Bienen und damit für die Imkerei. Weiterhin konnten bestimmte Heilpflanzen nur auf Lichtwiesen gesammelt werden, da sie woanders nicht wuchsen, z.B. Arnika, Küchenschelle oder Wundklee.
Also nicht in Quantitäts- und Massebildung liegt die Bedeutung der Lichtwiesen, sondern in der Bildung besonderer Qualitäten, die mit den Kräften von Licht, Luft und Wärme korrespondierten. Lichtwiesen und Lichtrasen befanden sich traditionell weit weg von Dorf und Hof am Rande der Gemarkung. Die Pflanzengesellschaften mit stärkerer Masse- und Nährstoffbildung lagen dagegen mehr in Dorfnähe . So hatten alle Pflanzengesellschaften ihren richtigen Platz.
Lichtwiesen haben also besondere positive Wirkungen, und das, obwohl sie zunächst als „krank“ erschienen sind. Kommen wir noch einmal darauf zurück. Wenn man Lichtwiesen als „krank“ bezeichnet, ist das sowohl richtig wie falsch. Richtig insofern, als sie tatsächlich ganz reduzierte Wachstumskräfte haben, das Gegenteil von üppig sind und sich das auch in „krankhafter“ Färbung zeigt. Muss man aber gleich etwas, was nicht üppig ist und nicht vor Wachstumskraft strotzt, als krank bezeichnen? Wenn wir das tun wollten, müssten wir konsequenterweise auch unsere eigenen Sinnesorgane krank nennen. Wenn wir das menschliche Auge als Beispiel nehmen, finden wir auch hier einen Rückzug der vital-vegetativen Lebenskräfte (zumindest aus den optisch wirksamen Teilen des Auges), der aber unbedingt notwendig ist, damit ein „Fenster“ entsteht, in das die Sinneseindrücke hereinstrahlen können. Reduzierung der Üppigkeit ist hier also nicht krank, sondern Voraussetzung für die Sinnes-Funktion!
So ist es auch mit den Lichtwiesen. Ihr zurückgenommener Stoffwechsel ermöglicht es ihnen, die verschiedenen Qualitäten der Standorte so differenziert ins Bild zu setzen, wie es keine andere Vegetation kann – weder die anderen landwirtschaftlich geprägten Pflanzengesellschaften noch die natürlichen Wälder. Je nachdem, ob der Boden etwas kalkreicher oder saurer, lehmiger oder sandiger, feuchter oder trockener ist, bilden sich die Lichtwiesen in ganz unterschiedlichen Pflanzengesellschaften aus, mit ganz verschiedenen Arten-Kombinationen. Lichtwiesen bringen also die feinen Unterschiede der Landschafts-Qualitäten sinnlich zum Ausdruck, und über die besonderen Inhaltsstoffe ihrer Pflanzenarten lassen sie diese Qualitäten in die stoffliche Ebene einfließen. So entsteht die besondere Qualität von diätetischem Heu und sich letztlich auch im besonders guten Geschmack der landwirtschaftlichen Produkte zeigt.
Lichtwiesen sind nicht nur auf trockenen Böden zu finden, obwohl sie hier ihre ganze Pracht entfalten. Sie kommen bzw. kamen auch auf feuchten, sogar moorigen Böden vor. Für solche mageren Feuchtwiesen gab es zwei verschiedene Nutzungsmöglichkeiten: Bei Mahd im Frühsommer konnte Heu gewonnen werden…
…, das auch hier gewisse diätetische Eigenschaften hatte (bestimmte Heilpflanzen wachsen nur auf feuchten Böden, z.B. Fieberklee, Lungenenzian …). Andere Wiesen wurden nur im Spätherbst gemäht, um Stalleinstreu zu gewinnen, was besonders in Gegenden mit zu wenig Getreidestroh wichtig war
In diesen feuchten Lichtwiesen wurde durch die Bewirtschaftung und Pflege ein Milieu geschaffen, in dem die Wirkungen von Licht, Luft und Wärme besonders tief in die Landschaft einwirken konnten, denn diese Feuchtwiesen lagen an den tiefsten Stellen der Dorfgemarkung, wo die Kräfte von Erde und Wasser von Natur aus besonders stark sind. Die Tendenz der anthropogenen Licht-Lufteinwirkung wurde durch die Vegetation noch unterstützt, fortgesetzt und gesteigert. Denn viele dieser Feuchtwiesenpflanzen, vor allem die Binsen, beförderten ihrerseits das Luftelement noch weiter nach unten bis in den Boden hinein, indem sie mit ihren Wurzeln große Mengen an Sauerstoff in den moorigen Boden abgaben.
Eine Auswahl guter Wiesenbücher
- Bosshard, A. (1999): Renaturierung artenreicher Wiesen auf nährstoffreichen Böden. – Dissertationes Botanicae 303, 194 S.
- Dierschke, H. & Briemle, G. (2002): Kulturgrasland. – Stuttgart. 239 S.
- Hassler, D., Hassler, M., Glaser, K.-H. (1995): Wässerwiesen. Geschichte, Technik und Ökologie der bewässerten Wiesen, Bäche und Gräben in Kraichgau, Hardt und Bruhrain. – Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege Baden-Württemberg, Band 87. Karlsruhe.428 S.
- Hutter, C.-P., Briemle, G., Fink, C. (2002): Wiesen, Weiden und anderes Grünland. – Stuttgart, 152 S.
- Mahn, D. (1993): Untersuchungen zur Vegetation von biologisch und konventionell bewirtschaftetem Grünland. – Verh. Ges. Ökologie 22: 127-134.
- Müller, Th. (2003): Blumenwiesen. Eine Handreichung für Naturfreunde und Wanderer. – Schwäbischer Albverein e.V. Stuttgart, 322 S.
- Nitsche, S. & Nitsche, L. (1994): Extensive Grünlandnutzung. – Radebeul, 247 S.
- Nowak, B. & Schulz, B. (2002): Wiesen. Nutzung, Vegetation, Biologie und Naturschutz am Beispiel der Wiesen des Südschwarzwaldes und Hochrheingebietes. – Verlag Regionalkultur, Heidelberg. 368 S.
- Oertner, J. (2000): Pflege offener und trockener Lebensräume. – In: Lippert, A. (Hrsg.): Der Naturschutzhelfer. Deutscher Naturschutzring. 320 S.
- Oppermann, R., Gujer, U. (2003): Artenreiches Grünland – bewerten und fördern. – Stuttgart, 199 S.
- Bosshard, A. (2016): Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. – Bern, 265 S.
Magerrasen und Lichtrasen
Sind schon artenreiche Wiesen mit ihren zahlreichen Blumen ein Paradies für Honig- und Wildbienen, Schmetterlinge und die übrige Insektenwelt, so trifft dies in noch stärkerem Maße für die Magerrasen zu, die hier als Lichtrasen bezeichnet werden sollen (siehe Begründung unten). Licht- oder Magerrasen sind aus teilweise recht seltenen Gräsern, Kräutern und Blumen aufgebaut, die wiederum Lebensgrundlage für spezialisierte Tierarten sind. Sie stellen gewissermaßen das Gegenstück zu den modernen produktionsorientierten, nährstoffreichen Agrarflächen mit ihren starkwüchsigen Reinkulturen dar. Lichtrasen-Flächen bieten demgegenüber eine große biologische Vielfalt, Blütenreichtum, Blumen- und Kräuterduft.
Als Magerrasen werden im allgemeinen Sprachgebrauch schwachwüchsige, ungedüngte Wiesen und Weiden bezeichnet. Obwohl sie oft einen sehr naturnahen Eindruck machen und im Vergleich mit dem gedüngten Grünland landwirtschaftlich recht wertlos zu sein scheinen, haben sie sich größtenteils doch gerade durch die historische Landwirtschaft entwickelt. Zu diesen vom Menschen erzeugten Magerrasen gehören nicht nur die trockenen Borstgrasrasen, Kalk- und Sandtrockenrasen, sondern auch feuchte und nasse Magerwiesen (Pfeifengraswiesen, Kleinseggenriede u.a.).
Sie sind in aller Regel durch Beweidung oder Mahd aus Wäldern entstanden, wobei sie nur wenig oder gar nicht gedüngt wurden. Mit der Aufgabe der traditionellen Bewirtschaftungsweisen in der Neuzeit schrumpfte der Flächenanteil der Magerrasen drastisch, wobei Umwandlung in hochproduktive Agrarflächen einerseits und Brachfallen andererseits die beiden wichtigsten Ursachen sind.
Magerrasen sind Lebensraum sehr vieler seltener und stark gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, so dass gegenwärtig aus naturschutzfachlicher Sicht ein großes Interesse an deren Erhaltung besteht. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen und gleichzeitiger Forderung des Naturschutzes nach mehr Wildnis werden Magerrasen aber inzwischen tendenziell in die Ecke von „Pflegefällen“ gedrängt.
Wenig bekannt ist, dass Magerrasen neben dem Naturschutzwert noch vielfältige andere Bedeutungen und Funktionen in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft haben, beispielsweise die landwirtschaftliche Bedeutung als „Stallapotheke“, ihre besondere ästhetische Wirkung im Landschaftsbild und ihr positiver Einfluss auf die Grundwasserbildung. So ist es wünschenswert, die Akzeptanz dieser Lebensräume in der Gesellschaft deutlich zu erhöhen; aus diesem Grunde sollen Magerrasen in „Lichtrasen“ umgetauft werden, damit allein schon der Begriff positiv besetzt ist.
Entgegen der ökologischen Lehrmeinung können Lichtrasen praktisch auf allen Böden angelegt werden, auch auf vorher intensiv genutztem Ackerland. Das ist jedoch nur möglich, wenn der Boden umgebrochen und neu eingesät wird. Dazu wird der Boden gepflügt oder gefräst und anschließend mit einer Egge eine feinkrümelige Bodenstruktur für das Saatbeet hergestellt. Danach wird mit einer speziellen regionaltypischen Saatmischung eingesät.
Die folgende Tabelle enthält den Grundstock einer Pflanzenarten-Kombination, die typisch für Lichtrasen ist. Je nach Wasserhaushalt, Boden und Klima wird diese Artenzusammensetzung mehr oder weniger verändert und ergänzt.
Gräser und Grasartige
Agrostis capillaris – Rotstraußgras
Anthoxanthum odoratum – Ruchgras
Briza media – Zittergras
Festuca ovina – Schafschwingel
Luzula campestris – Feld-Hainsimse
Poa angustifolia – Schmalblättriges Rispengras
Kräuter
Achillea millefolium – Schafgarbe
Betonica officinalis – Heilziest
Campanula rotundifolia – Rundblättrige Glockenblume
Centaurium erythraea – Tausendgüldenkraut
Cerastium arvense – Acker-Hornkraut
Dianthus carthusianorum – Kartäuser-Nelke
Euphrasia rostkoviana – Augentrost
Galium verum – Echtes Labkraut
Hieracium pilosella – Kleines Habichtskraut
Hypochaeris radicata – Ferkelkraut
Leontodon hispidus – Rauher Löwenzahn
Lotus corniculatus – Hornschotenklee
Medicago lupulina – Hopfenklee
Pimpinella saxifraga – Kleine Bibernelle
Ranunculus bulbosus – Knolliger Hahnenfuß
Rumex acetosella – Kleiner Sauerampfer
Saxifraga granulata – Knöllchensteinbrech
Stellaria graminea – Gras-Sternmiere
Succisa pratensis – Teufelsabbiß
Thymus pulegioides – Arznei-Thymian
Trifolium campestre – Feld-Klee