Pflanzenvielfalt vermehren – Lebensqualität steigern
Neugestaltung von Pflanzengesellschaften in der Hoflandschaft
Eine Kooperation von Hof Sackern und der Akademie für angewandte Vegetationskunde
Die biologisch-dynamisch bewirtschafteten Landschaften haben bereits eine hohe Lebensqualität – was nicht heißt, dass diese nicht noch enorm gesteigert werden könnte! Nämlich dadurch, dass neben den verschiedenen Haustieren und Kulturpflanzen auch viele der heimischen Wildpflanzen wieder mit in die Kulturlandschaft eingebunden werden. Mit buntblühenden Wildpflanzen-Gesellschaften, die Schmetterlinge, Heuschrecken, Bienen und eine reiche Vogelwelt anlocken, kann die Landschaft zu einer Augenweide werden, in der die Natur harmonisch klingt und aromatisch duftet. Und viele seltene, regionaltypische Wildpflanzen können wieder einen Lebensraum finden, auch Orchideen, Arnika und Enziane, Zittergras und Mäuseschwänzchen. Dazu müssen wir „nur“ die schlummernden Potenziale wecken – und der Schlüssel hierfür ist die Pflanzensoziologie, die Lehre von den Pflanzengesellschaften.
Und genau damit haben wir auf Hof Sackern begonnen! Aus einer Hofbegehung am 8. Dezember 2009 und einem einführenden Diavortrag zur Gesamt-Idee am 5. März 2010 sowie vielen Gesprächen und Briefwechseln zwischen Matthias Knorpp und Hans-Christoph Vahle entstand ein spannendes Konzept: Wir wollen die regionaltypische Lichtvegetation auf dem Hofgelände neu ansiedeln. Was ist Lichtvegetation? Das sind Gesellschaften jener seltenen Pflanzen, die früher hier in der Gegend in der historischen Kulturlandschaft vorkamen und die durch Lichtstellung gefördert wurden. Lichtstellung bedeutet: Mähen, Beweiden, Pflügen, Plaggen (=Soden abtragen), Entschlammen von Teichen usw. Dadurch konnten sich kleine, schwachwüchsige und deshalb inzwischen vom Aussterben bedrohte Pflanzen halten bzw. immer wieder neu ansiedeln. Was die gar nicht vertragen: Wenn ihre Wuchsorte „der natürlichen Entwicklung“ überlassen werden, verschwinden sie genauso wie durch sehr intensive Nutzung mit Düngung. Beispiele für Lichtvegetation sind: kräuterreiche Wiesen und Weiden, magere Blütensäume, Heiden und Magerrasen, magere Feuchtwiesen und auch bestimmte Pflanzengesellschaften von Teichen wie die Vegetation mit Wasserstern, Wasserhahnenfuß und Armleuchteralgen.
Für Hof Sackern haben wir uns nun einige spezielle Orte ausgesucht, an denen wir mit der Neu-Ansiedlung von Lichtvegetation beginnen und die ersten praktischen Schritte haben wir im Laufe der Jahre auch gemacht. Hier stellen wir nun unsere Projektflächen vor:
Die Bergweide
Die Bergweide ist in letzter Zeit stark vermoost. Es handelt sich vor allem um Kranzmoos und Kurzhalsbüchsenmoos, zwei Moosarten, die inzwischen auch überall die Rasenflächen „vermoosen“. Unserer Einschätzung nach sind diese Moose Zeiger einer zunehmenden Versauerung, die zunächst nur den Oberboden, manchmal nur die obersten Zentimeter betrifft. Darunter kann die Welt erst noch in Ordnung sein, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch hier der negative Einfluss durchschlägt.
Im Vergleich mit anderen Weideflächen des Hofes zeichnet sich ab, dass stärkere Beweidung (mehr Fressen, mehr Koten) das Mooswachstum eher eindämmt. So haben wir auf den Geilstellen praktisch keine Moose gefunden und auch da viel weniger, wo die Tiere öfter drüber laufen (z.B. die Zuwegung zur Bergweide usw.). Auch auf der Weide „im Tälchen“ war weniger Moos und hier ist interessant zu wissen, dass da ab und zu einmal Mist drauf kommt. Auf die Bergweide eben nicht.
Die Tendenz zur oberflächlichen Versauerung ist logisch, da die Weide auf dem Nordhang und der Nordseite des Gehölzes liegt. Moosentwicklung ist immer ein Zeichen für das Überhandnehmen des Erd-Elementes, was durch Wasser (Feuchtigkeit) noch verstärkt wird, aber nicht darauf angewiesen ist. Gegenkräfte sind Luft, Licht und Wärme (Feuer- und Luftelement), die es zu fördern gilt. Also z.B. mit dem Kieselpräparat spritzen? Früher haben die Bauern in manchen Gegenden ihr Grünland (Wiesen) mit Asche „gedüngt“, was der Versauerung entgegen wirkt und vor allem recht viel Kalium einbringt, was wiederum die Blütenentwicklung fördert (und die Moosentwicklung hemmt?!). Aber woher soll man soviel Asche nehmen? Und ob der biologisch-dynamische Kompost hier nicht etwas Vergleichbares macht?
Was also tun, um hier wieder einen erträglichen, gesunden Aufwuchs hinzubekommen? Wir hatten uns vorgenommen, hier eine Versuchsreihe zu machen, da wir im Gespräch viele Ideen gegen das Moos entwickelt hatten, aber nicht wissen, wie was genau wirkt und was praktisch handhabbar ist.
Wir haben auf der Bergweide 6 nebeneinander liegende Parzellen eingerichtet, die eine unterschiedliche Behandlung bekamen. Und zwar (in der Reihenfolge der Parzellen von West nach Ost):
- Chara intermedia C 200 (Homöopathisches Armleuchteralgen-Präparat) in 10 Liter Wasser intensiv verrührt und mit belaubten Zweigen von Holunder verspritzt.
- Hornkiesel (wurde später ausgebracht auf die wachsende Vegetation)
- Holzasche 12 kg
- Kalk 25 kg
- Kompost
- Stallmist (wurde später ausgebracht auf die wachsende Vegetation)
Am 12. Mai 2010 haben wir die Parzellen mit je 8 x 5 m² auf diese Weise vorbereitet. Dazu wurde der Gesamtstreifen von 5 x 48 m gefräst, dann jede Parzelle mit den unterschiedlichen Präparaten behandelt und anschließend komplett mit einer Mischung neu eingesät. Diese Mischung bestand aus den typischen Pflanzenarten einer blumen- und kräuterreichen Weide, nämlich 7 verschiedene Grasarten und 21 Kräutern, aus denen sich bei der richtigen Nutzung und Pflege die Knollenhahnenfuß-Rotschwingel-Weide entwickelt. Die gesamte Versuchsfläche wurde abgezäunt, um die junge Saat zu schonen. Inzwischen ist die Saat sehr gut und dicht aufgelaufen und einige Kräuter kamen schon in diesem ersten Jahr zur Blüte, so dass der Zaun entfernt werden konnte und die Kühe nun die Fläche mit abweiden.
Die Glatthaferwiese am Böllberg
Die neu dazu gepachteten Ackerflächen westlich der Straße „Am Böllberg“ gehen am Nordrand in eine etwas steilere Lage über, die dann von Gebüschen gegen die anschließende Siedlung begrenzt wird. Hier ist der Boden nicht nur steiler, sondern auch steiniger, so dass der Ackerbau etwas erschwert wird. Unsere Überlegung war, hier – also dann im Übergang vom Acker unten zum Gebüsch oben – eine super artenreiche Glatthaferwiese von etwa 2 ha Fläche anzulegen.
So wurde im Mai 2010 eine speziell zusammengestellte Mischung auf den gepflügten und geeggten Boden ausgebracht, die die Pflanzenarten der blumen- und kräuterreichen Glatthaferwiese enthielt. Ungünstige Witterung, vor allem der trockene Frühling, hat die Keimung an diesem Südhang sehr erschwert. Statt der gewünschten Wiesenpflanzen keimten dann erst mal die „Unkräuter“, die noch von der vorausgehenden Ackernutzung im Boden waren, insbesondere leider auch der Stumpfblatt-Ampfer. Bei einer Hofbegehung, bei der auch andere Landwirte zugegen waren, wurde dieser Fläche nichts Gutes prophezeit und man riet uns dringend, alles umzubrechen und wieder Acker daraus zu machen.
Wir haben uns dennoch dazu entschieden, diesen Versuch weiter laufen zu lassen, da der Stumpfblatt-Ampfer eine Pionierpflanze ist, die sich gerne auf gestörten Böden einstellt, bei regelmäßiger Mähwiesennutzung jedoch mit der Zeit verschwindet. Da braucht man allerdings Geduld.
Und die Geduld hat sich gelohnt: innerhalb von 4 Jahren entwickelte sich eine blumen- und kräuterreiche Glatthaferwiese, die den Kühen gesundes, duftendes Heu und den Bienen reichlich Nektar liefert. Die gesamte Dokumentation der Wiese kann hier als PDF heruntergeladen werden.
Der Staudensaum zwischen Gemüse und Acker
Zwischen dem hofnahen Gemüseland und den anschließenden Ackerflächen haben wir einen ausdauernden Blühstreifen angelegt. Auch hierzu stellten wir eine spezielle Wildstauden-Mischung zusammen und säten sie auf einem 300 m lagen und 2,5 m breiten Streifen aus. Diese Mischung ist so aufgebaut, dass im ersten Jahr einjährige Ackerwildkräuter blühen und sich die zwei- bis mehrjährigen Stauden dann dazwischen für die Folgezeit etablieren sollen.
Der Saum bot im ersten Sommer bereits einen prächtigen Anblick mit blühenden Kornblumen, Kornraden und Mohn, das zweite und dritte Jahr war auch noch sehr bunt mit Königskerzen, Nachtkerzen, Natternkopf und anderen Zweijährigen. Dann aber nahm der Blütenreichtum ab und die Fläche begann zu vergrasen. Eine frustrierende Entwicklung, die inzwischen auch von vielen anderen Menschen beobachtet wird. Das liegt unseres Erachtens daran, dass in den Mischungen zu wenige mehrjährige (ausdauernde) Stauden enthalten sind.
Wir haben die Konsequenz gezogen, den gesamten Streifen neu gefräst (wobei viele schlummernde Samen neu keimen konnten) und zusätzlich gezielt ausdauernde Stauden eingesät, z.B. Rainfarn, Gold-Kälberkropf, Wasserdost, Johanniskraut, Herzgespann und viele andere.
Die Feuchtwiese im Hölken
Diese sehr nasse Grünlandparzelle am Bachrand war im Laufe der Zeit teilweise schon mit jungen Erlen zugewachsen. Solche Nasswiesen scheinen für die Landwirtschaft nicht besonders wertvoll zu sein, da auf ihnen sehr viele Binsen, Sauergräser und verholzende Stauden wachsen, die allesamt nur geringen Futterwert haben. Das Bild trügt aber insofern, als wir heutzutage ein völlig falsches oder doch verzerrtes Bild von dem haben, was wir „Feuchtwiese“ nennen. Unser heutiges Bild von Feuchtwiese ist fast immer eine „Feuchtbrache“! Eine gute Feuchtwiese enthält viele wertvolle Kräuter und Süßgräser, nur wenige Binsen usw. So etwas gibt es jedoch gegenwärtig kaum mehr irgendwo zu sehen, da Feuchtgrünland fast immer entweder entwässert wurde oder brachgefallen ist.
Unser Ziel im Hölken ist es, solch eine „gute“ Feuchtwiese wieder zu entwickeln. Denn sie hat auch aus landwirtschaftlicher Sicht einen Bonuspunkt: Die Feuchtwiese ist der Lebensraum der Bach-Nelkwurz, einer alten tiermedizinischen Heilpflanze, die ein wunderbares Mittel zur Stärkung der Verdauung beim Vieh ist.
Weitere Biotope
Die wunderschöne artenreiche Hofumfassungsmauer, der Hofteich und anderes müssen auch weiterhin bewusst begleitet, gepflegt und erhalten werden. Auch neu anzulegende kleine Pflanzengesellschaften haben wir in den Fokus genommen, z.B. die Zwergbinsen-Gesellschaft in staunassen Lagen. Sie alle bedürfen einer besonderen Zuwendung, die manchmal im Alltagsgeschehen der Landwirtschaft einfach nicht zu leisten ist. Und es ist auch durchaus in manchen Fällen ein besonderes Wissen erforderlich, um mit nicht alltäglichen Pflanzengesellschaften umzugehen. Aber sollte man deshalb auf sie verzichten? Auf sie, die heute so selten geworden sind und doch ganz typisch für die Landschaft sind bzw. waren? Und die ganz besonders auf uns Menschen angewiesen sind? Dazu haben sich nun glücklicherweise Menschen vom Hof und aus dem Hofumkreis gefunden, die sich intensiv um diese Pflanzengesellschaften kümmern wollen.