Warum eine Feldbotanik-Pflanzensoziologie-Ausbildung?
Die Pflanzen sind unsere wichtigste Lebensgrundlage. Sie sind die Primärproduzenten unserer Nahrung, sie filtern das Trinkwasser, produzieren den Sauerstoff für unsere Atemluft, geben uns Baumaterial und Kleidung. Die Pflanzendecke unserer Landschaften ist zudem Klimaregulator und sie trägt durch Wasserspeicherung dazu bei, Überschwemmungen zu vermindern. Eine abwechslungsreiche, bunt blühende Landschaft ist außerdem einfach schön und fördert unser seelisches Wohlbefinden. Viele gute Gründe, um sich näher mit der Pflanzenwelt zu beschäftigen!
Ein Wissen um die Pflanzenwelt ist jedoch in den letzten Jahrzehnten drastisch geschwunden. Weder in den Schulen noch in den Universitäten wird eine ausreichende Pflanzenarten-Kenntnis vermittelt, wie sie für die vor uns liegenden Probleme notwendig wäre:
Zunehmende Umweltkatastrophen, der drastische Rückgang der Biodiversität, das Insektensterben, Krankheiten aufgrund krankmachender Nahrungsmittel, Vergiftung der Gewässer und unseres Trinkwassers … Alle diese großen Lebensprobleme haben ihren Grund auch darin, dass wir kein richtiges Verständnis mehr von der Pflanzendecke unserer Landschaften haben.
Diesem Mangel versucht die Akademie für angewandte Vegetationskunde durch ein breites Ausbildungsangebot zu begegnen. Ob naturinteressierte Laien oder Fachfrau/Fachmann in Naturschutzbehörden oder Planungsbüros: Bei allen geht es um eine neue, intensivierte Verbindung zur Pflanzenwelt. Das geschieht auf vielfältige Weise, wobei die wenig bekannte Pflanzensoziologie eine zentrale Rolle spielt:
- durch das Bestimmen und Kennenlernen von Pflanzenarten im Kontext ihrer Pflanzengesellschaften
- durch Gestaltbetrachtungen der Einzelpflanzen und der Pflanzengesellschaften
- durch das Verstehen von Lebenszusammenhängen, z.B. die Wechselwirkungen zwischen Pflanzengesellschaften und Standort sowie der Zusammenhang mit der Tätigkeit des Menschen (Bewirtschaftung, Pflege, Schutz, Entwicklung)
- durch das Lesen der Landschaft mithilfe von Pflanzengesellschaften
- durch das Gestalten von Landschaft / von Biotopen mithilfe von Pflanzengesellschaften
Ein besonderer Fokus der Ausbildung und der gesamten Akademie-Arbeit liegt auf einer Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Denn die Landwirtschaft nimmt eine Schlüsselposition hinsichtlich der oben angesprochenen Aspekte ein: Einerseits ist sie – oder sollte sein – die Grundlage für unser gesundes Leben, andererseits ist sie – oder sollte sein – die wichtigste Förderin der Biodiversität in Mitteleuropa. Was nämlich kaum gewusst wird: Die große Arten- und Biotopvielfalt mitteleuropäischer Landschaften, wie es sie noch vor 150 Jahren gab, ist Ergebnis der traditionellen Landbewirtschaftung! Die größte Biodiversität war also in der Kulturlandschaft zu finden, nicht im Wald oder in der Wildnis.
Weiterbildungsziele
- Kenntnisse der heimischen Flora und Vegetation erwerben, vertiefen oder erweitern.
- Fähigkeiten zum Erkennen und Erfassen von Pflanzengesellschaften / Vegetationstypen entwickeln (wichtigste Grundlage für die Biotopkartierung).
- Regionaltypische Vegetations-Potenziale in der Landschaft sehen lernen (wichtigste Grundlage für Biotop- und Landschaftsentwicklung).
- Das pflanzensoziologische Wissen in der kompetenten Beratung von Landwirt*innen, Forstwirt*innen, Teichwirt*innen, Gärtner*innen und anderen in der Landschaft Tätigen anwenden können.
Zielgruppen
- Grundsätzlich alle botanisch / vegetationskundlich interessierten Menschen
- Multiplikatoren für die Umwelt-Bildungsarbeit
- Fachleute aus dem Naturschutz-/Landschaftsplanungsbereich
- Fachleute aus den Bereichen Landwirtschaft und Gartenbau
Ausbildungsangebot
Das Ausbildungsangebot gliedert sich in vier Bereiche, die jeweils mehr oder weniger in sich geschlossene Einheiten bilden. Dabei steht die Pflanzensoziologie (Vegetationskunde) als Kernbereich im Zentrum – als eine ökologische Leitwissenschaft für zukunftsweisende Landschafts-Entwicklungsprojekte. Da Pflanzensoziologie jedoch immer weniger bekannt ist – man könnte geradezu von einer vom Aussterben bedrohten Wissenschaft sprechen – bietet die Akademie drei „Einstiegstore“, die bei vertieftem Interesse zur Pflanzensoziologie hinführen können: Feldbotanik für diejenigen, die viele Pflanzenarten kennenlernen möchten, Vegetationsästhetik für diejenigen, die einen mehr emotional-künstlerischen Zugang zur Pflanzenwelt suchen und schließlich Biotopentwicklung für diejenigen, die sinnvoll praktisch arbeiten wollen. Je nach persönlicher Neigung ist es also möglich, über Denken, Fühlen oder Wollen in die Thematik einzusteigen:
Feldbotanik
Hier geht es um das Erkennen und Kennenlernen von heimischen Wildpflanzen draußen im Gelände und die Zuordnung zu ihren Lebensräumen. Das ist auch das Alleinstellungsmerkmal dieser Ausbildung, was sie von der bundesweit standardisierten Feldbotanik-Ausbildung unterscheidet: Die Vermittlung der Artenkenntnis findet ausschließlich draußen im Gelände statt und bezieht immer den zugehörigen Lebensraum und die zugehörige Pflanzengesellschaft mit ein.
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Pflanzensoziologie
Hier geht es um das Erkennen und Kennenlernen von Pflanzengesellschaften in Theorie und Praxis, um ihre optimalen Ausprägungen und ihre Standortverhältnisse. Dabei steht die Vegetation der naturnahen Kulturlandschaft im Vordergrund. Die wichtigsten Pflanzengesellschaften Mitteleuropas werden in Wort und Bild vorgestellt; dazu gibt es Präsentationen im Winterhalbjahr und Exkursionen im Sommerhalbjahr. Es werden die typischen Artenkombinationen vermittelt, es wird gezeigt, wie man Pflanzengesellschaften schon an ihrem Erscheinungsbild und ihrer Gestaltgeste im Gelände erkennen kann und vor allem: auf welche Weise die Pflanzengesellschaften in positiver Weise vom Menschen, insbesondere von Landwirtinnen und Landwirten, abhängen.
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Vegetationsästhetik
Hier geht es um eine Phänomenologie von Pflanzengesellschaften, also um eine Arbeit mit Vegetationsgestalten. Hierdurch wird der emotionale, künstlerische Zugang zur Pflanzenwelt über die differenzierte Betrachtung von Pflanzengesellschaften und ihrer Gestaltungen vertieft; es können beispielsweise die Vegetationsgestalten mit dem Wirken der vier Elemente korreliert werden, was einen ganzheitlichen Zugang zum Standortverständnis ermöglich. Eine Steigerung kann erfolgen, wenn auf dieser Grundlage der menschliche Organismus mit den verschiedenen Ausprägungen des Landschafts-Organismus in Beziehung gebracht wird.
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Biotopentwicklung
Hier geht es zunächst um einen Überblick über die verschiedenen Anwendungsfelder der Pflanzensoziologie in Landwirtschaft, Naturschutz und Umweltbildung und wie sich diese im Laufe der Zeit gewandelt haben. Ausführlich behandelt werden dann pflanzensoziologisch orientierte Konzepte zu Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen einzelner Biotoptypen dargestellt, wie Mähwiesen, Magerrasen, Äcker, Gewässer und Säume. Biotopentwicklung ist auf Grundlage der Pflanzengesellschaften sehr detailliert und differenziert möglich, ein „über-den-Kamm-scheren“ wird vermieden, stattdessen kann das Regionaltypische besser herausgearbeitet werden und vor allem lernt man den „Potenzialblick“, man erkennt Potenziale auch in ausgeräumten Landschaften und kann das „Gesicht der Landschaft“ visualisieren.
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Zeitliche Gliederung
Jeder der vier Ausbildungsbereiche ist modular aufgebaut und dauert maximal ein Jahr. Deshalb laufen die vier Ausbildungsbereiche in jedem Jahr parallel, man kann also in jedem Jahr neu einsteigen. Wer „alles gründlich“ machen will, dem sei empfohlen, die gesamte Ausbildung in der oben aufgeführten Reihenfolge zu absolvieren. Die jeweilge Zeitstruktur ist
- für die Feldbotanik: April bis August (nur Sommerhalbjahr)
- für die Pflanzensoziologie im Winterhalbjahr: Kurs von November bis März
- für die Pflanzensoziologie im Sommerhalbjahr: Exkursionen von Mai bis September
- für die Biotopentwicklung im Winterhalbjahr: Kurs von November bis März
- für die Biotopentwicklung im Sommerhalbjahr: Exkursionen und Praxisseminare von Mai bis September
- für die Vegetationsästhetik: Kurse befinden sich noch im Aufbau
Teilnahme an einzelnen Modulen oder einzelnen Ausbildungsstufen
Es ist nicht zwingend notwendig, alle Ausbildungsbereiche nacheinander zu absolvieren. Jeder Ausbildungsbereich ist mehr oder weniger in sich abgeschlossen. Je nach Interesse können die Module oder Ausbildungsstufen auch einzeln besucht werden. Auch Quereinstiege sind möglich.
Zertifikat
Für jeden der vier Ausbildungsbereiche gibt es nach vollständigem Besuch ein eigenes Zertifikat. Werden nur einzelne Module besucht, können dafür auf Anfrage Teilnahmebescheinigungen ausgestellt werden.
Nach vollständigem Besuch der Ausbildungsstufen Feldbotanik, Pflanzensoziologie und Biotopentwicklung besteht weiterhin die Möglichkeit, bei Mitarbeitenden des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) einen speziellen Kurs zur Biotop- und Lebensraumtypen-Kartierung anzuschließen. Danach kann dann eine Abschlussprüfung abgelegt und damit ein Feldbotanik-Zertifikat erworben werden, das gemeinsam vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW), der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA NRW) und der Akademie für angewandte Vegetationskunde ausgestellt wird.
Voraussetzungen
Ein grundsätzliches Interesse an Pflanzen und ihren Lebensräumen sollte vorhanden sein. Pflanzenkenntnisse sind hilfreich aber keine Grundvoraussetzung, da die intensive Artenkenntnis während der Ausbildung erlernt wird.
Leitung
Priv.-Doz. Dr. Hans-Christoph Vahle, Akademie für angewandte Vegetationskunde, Habilitation und Venia legendi an der Universität Witten/Herdecke im Fach Vegetationskunde
Anmeldung
Siehe bei den einzelnen Ausbildungsbereichen. Für jeden Ausbildungsbereich muss eine eigene Anmeldung erfolgen.