Wiesenprojekt

Projekt „Qualitätssteigerung von Kulturlandschaften durch artenreiche Mähwiesen“

Die Wiesenbroschüre kann für 10 € bei mir erworben werden.

Ein Modellprojekt zur In-Wert-Setzung artenreicher Mähwiesen für Landwirtschaft, Landschaftsökologie, Naturschutz und Landschaftserleben

Allen Stiftungen, die die Bearbeitung des Projekts ermöglichen, sei an dieser Stelle herzlich gedankt:

  • Software AG-Stiftung
  • Rudolf Steiner Fonds für wissenschaftliche Forschung
  • Stiftung Forschungsförderung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
  • Stiftung Helixor
  • Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Das Projekt verfolgt drei Hauptaspekte:

  • die Pflanzensoziologie als methodische Grundlage,
  • die Transformation der Kategorie „Artenreichtum“ vom naturschutzfachlichen Wert in einen positiv besetzten landwirtschaftlichen Wert,
  • die Synthese des naturschutzfachlichen Wertes, des landwirtschaftlichen Wertes und des ästhetischen Wertes artenreicher Mähwiesen zu einem übergeordneten Wert „Lebensqualität der Landschaft“,
  • die Notwendigkeit der Neuanlage von artenreichen Mähwiesen in ausgeräumten und wiesenlosen Landschaften zur Steigerung der Lebensqualität

Ausgangslage

Die Bedeutung artenreicher Mähwiesen für Naturschutz einerseits und für Naturerholung und Naturerlebnis andererseits sind unumstritten. Demgegenüber stellt sich die landwirtschaftliche Bedeutung als weniger eindeutig positiv dar, was sogar für die biologische Landwirtschaft gilt. Auch im Ökolandbau wird durch die Notwendigkeit der betriebseigenen Futtergewinnung zumeist relativ intensive Grünlandwirtschaft betrieben. Insofern sieht es mit artenreichem Grünland, und hier insbesondere mit artenreichen Wiesen, selbst auf naturschutzorientierten Biohöfen im allgemeinen nicht gut aus.

Projektziel

Das Ziel des Projekts ist es deshalb, den naturschutzfachlichen Wert, d.h. vor allem den optimalen Artenreichtum von Mähwiesen, auch aus Sicht der Landwirtschaft als Wert zu begreifen. Schätzt der Landwirt selbst den Wert artenreicher Mähwiesen für seinen Betrieb, kann die Wiesenkultur nachhaltiger auf dem Hof verankert werden als wenn sie nur als (bezahlte) Naturschutz-Dienstleistung verstanden wird.

Damit ist eine zentrale Aufgabe des Projekts, den Wert artenreicher Mähwiesen umfassend darzustellen, wobei der landwirtschaftliche Wert eine herausragende Rolle spielt. Dies wird für die verschiedenen Wiesentypen, die auf Grundlage der pflanzensoziologischen Systematik differenziert betrachtet werden, detailliert ausgearbeitet. So sollen auch die Feucht- und Magerwiesen ausdrücklich in die landwirtschaftliche Inwertsetzung mit einbezogen werden.

Pflanzensoziologie als Grundlage

Die Pflanzensoziologie ist die wichtigste methodische Grundlage des Projekts. Sie dient nicht nur zur Dokumentation der einzelnen Wiesen, sondern wird auch zur Zielfindung für Maßnahmen verwendet. Das Entwicklungsziel für eine konkrete Wiese ist der überregionale Vegetationstypus, beispielsweise „Glatthaferwiese“ oder „Sumpfdotterblumenwiese“. Dieser Typus wird jedoch nicht schematisch und starr verwendet, sondern im Sinne eines dynamischen Typus, der vielfach wandelbar ist, ohne seinen eigentlichen „Kern“ zu verlieren. So wird der überregionale Typus „Sumpfdotterblumenwiese“ (Calthion) mit einem bestimmten Verfahren zu einem lokalen Typus gewandelt, der z.B. keine der Region fremden Arten enthält und andererseits doch die artenreichste Ausprägung darstellt, die der Region möglich ist („Potenzielle Kulturlandschafts-Vegetation“). Teil dieser lokalen Typus-Findung ist auch, dass der landwirtschaftliche Wert berücksichtigt wird, denn es geht ja um die volle Einbindung des jeweiligen Wiesen-Typus in den landwirtschaftlichen Betrieb. Für die Sumpfdotterblumenwiese heißt das beispielsweise, dass der Sumpfschachtelhalm, obwohl Feuchtwiesen-Kennart, nicht zu den Zielarten dieser Wiese gehört, da er als besonders giftig gilt. Andererseits hat die Bach-Nelkwurz hohe Priorität, da ihr als verdauungsfördernde und appetitanregende Pflanze für die Tiergesundheit und das Fressverhalten eine besondere Bedeutung zukommt.

Die Erarbeitung des lokalen Typus soll sowohl zu einer Optimierung aus naturschutzfachlicher als auch aus landwirtschaftlicher Sicht führen. Die Erfahrung aus den Hofbesuchen hat gezeigt, dass die Bewirtschafter zumeist ein Interesse haben, ihre Wiesen in Richtung eines höheren Artenreichtums zu optimieren. Hier leistet die pflanzensoziologische Sichtweise große Dienste.

Jedem Hof seine Wiesen!

Ist die landwirtschaftliche Bedeutung artenreicher Wiesen für den idealen Ökolandbau-Mischbetrieb einmal erkannt, folgt daraus konsequent, dass für Höfe, denen sie fehlen, artenreiche Mähwiesen neu angelegt werden müssen. Die Neuanlage wäre zur gesunden Funktion der landwirtschaftlichen Ganzheit zwingend erforderlich, also auch in Landschaften, die schon lange keine artenreichen Mähwiesen mehr gesehen haben. Auch hier bildet die pflanzensoziologische Typologie die Grundlage für die regionale bzw. lokale Leitbild-Entwicklung. Durch die Neuanlage bzw. Optimierung fragmentarischer Bestände werden neben dem landwirtschaftlichen auch der naturschutzfachliche und der ästhetische Wert gesteigert. Alle drei Werte können zu einem übergeordneten Wert „Lebensqualität der Landschaft“ zusammengefasst werden.

Neuanlage einer artenreichen Glatthaferwiese

Um die Lebensqualität einer konkreten Landschaft durch artenreiche Mähwiesen praktisch zu steigern, haben wir im Frühjahr 2010 auf dem biologisch-dynamischen Hof Sackern am Rand des Ruhrgebietes eine artenreiche Glatthaferwiese auf 2 ha ehemaligem Ackerland eingesät. Trotz extrem ungünstiger Witterung zur Zeit der Keimung hatte sich bereits im zweiten Jahr eine artenreiche Glatthaferwiese mit hohem Heuertrag etabliert. Im Jahr 2013 war der Ertrag noch etwas höher und die Blumenvielfalt hatte stark zugenommen; auf der Fläche waren nun 56 typische Wiesenarten (Gräser und Kräuter) zu finden, von denen 20 zu den Magerzeigern zu zählen sind. Gesundes Heu in großer Menge, Reichtum an Pflanzenarten und ästhetische Attraktivität verbinden sich hier zu einer landschaftlichen Gesamtqualität.

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Arbeitsschritte des Projekts

2013: Bestandsaufnahme

Durch Befragung von Landwirten und durch Literaturrecherche werden naturschutzfachlicher, landwirtschaftlicher und ästhetischer Wert der verschiedenen Typen artenreicher Wiesen herausgearbeitet. Es wurden im Mai-Juni 2013 bundesweit 20 Betriebe besucht, die artenreiche Mähwiesen aus eigenem landwirtschaftlichen Interesse bewirtschaften. Die Auswahl der Höfe geschah durch einen Aufruf an die Landwirte zur Mitarbeit (Verteilung von Flyern, Publikation des Aufrufs in einschlägigen Zeitschriften und Verbands-Rundbriefen), wodurch sich interessierte Landwirte meldeten. Voraussetzung für die Teilnahme war, dass der jeweilige Landwirt artenreiche Mähwiesen bewirtschaftete und dies nicht in erster Linie im Rahmen von Vertragsnaturschutz usw. tat, sondern aus landwirtschaftlicher Sicht (Tiergesundheit, Qualität der Molkereiprodukte).

Durch die Befragung sollte herausgefunden werden, welchen Wert der Landwirt seinen Wiesen zuspricht und wie er sie bewirtschaftet, damit die Wiesen ihren Wert, d.h. ihren Artenreichtum behalten. Der Fragebogen umfasst 48 Fragen zur Flächenbilanz, zu verschiedenen Wiesentypen, zur Eingliederung der Wiesenbewirtschaftung in den Betriebsablauf, zur Technik der Wiesenmahd und Wiesenpflege, zur Düngung, zum Ertrag, zur Fütterung, zur eigenen Inwertsetzung und zu finanziellen Fragen. Auch wird abgefragt, ob der Landwirt mit den Wiesen zufrieden ist oder ob er Optimierungsbedarf sieht.

Zusätzlich wurden auf den Betrieben in allen dort vorkommenden Wiesentypen pflanzensoziologische Bestandsaufnahmen gemacht; 123 Bestandsaufnahmen konnten auf diese Weise gewonnen werden. Sie werden daraufhin ausgewertet, inwieweit sie einem bekannten Vegetationstyp entsprechen und in welcher Ausprägung (optimal, mäßig, artenarm usw.) sie diesen Typus repräsentieren. Die jeweilige Ausprägung kann dann mit der Art der Bewirtschaftung korreliert werden.

Neben diesem On-Farm-Research wurde im Jahr 2013 sehr viel Literatur zum Thema Wiesen ausgewertet, wobei manche bemerkenswerte Zusammenhänge deutlich wurden, die es notwendig machen, mit überkommenen Denkmustern aufzuräumen.

2014: Praktische Umsetzung

Damit die Ergebnisse des Projekts nun auch dort landen, wo sie gebraucht werden, nämlich auf den Höfen, wird im Jahr 2014 eine Kampagne gestartet: Der Wiesentag. Den Wiesentag wird in zwei Varianten angeboten: Einmal als individuelle Hofberatung nach dem Vorbild der einzelbetrieblichen Naturschutzberatung und zum anderen als öffentliche Weiterbildung mit Vortrag, Übung und Exkursion.

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Der individuelle Wiesentag ist eine Beratung der Akademie für angewandte Vegetationskunde für alle interessierte Höfe. Diese Beratung hat im Laufe des Jahres 2014 noch Testcharakter und wird kostenlos angeboten. Es wird eine Beratungsmethode entwickelt, die landwirtschaftliche Betriebe unterstützen soll, ihre Potenziale für artenreiche Mähwiesen zu entdecken und umzusetzen. Der Schwerpunkt der Beratung wird in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen sein, um den Aufwand für die Fahrtkosten und Fahrtzeiten vom Standort Witten aus möglichst gering zu halten.

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Betriebe, die ein Interesse an artenreichen Mähwiesen haben, ihre eigenen Wiesen besser kennenlernen wollen oder solche Wiesen neu etablieren oder optimieren möchten, können sich bei der Akademie melden. Es wird dann ein Termin für einen Betriebsbesuch vereinbart, der etwa 3-4 Stunden dauert. Zur Vorbereitung des Besuches werden seitens der Akademie die landschaftlichen Grundlagen recherchiert (Naturraum, geologischer Untergrund, Verbreitungs-Areale der Wiesenpflanzen, vorhandene Pflanzengesellschaften).

Die gemeinsame Begehung der Hoflandschaft soll klären, welche Typen von Wiesen möglich sind – auf Grundlage der landschaftlichen Gegebenheiten einerseits und der Wünsche des Betriebsleiters andererseits. Welche Wiesen passen zu dem Hof? Welche Pflanzengesellschaften sind möglich / notwendig? Wie kann man diese Wiesen etablieren (Nachsaat, Neueinsaat, Revitalisierung aus Brache, Heugrassaat …)?

Der Wiesentag als öffentliche Weiterbildung wird als Einstimmung in das Wiesenthema für verschiedene Regionen angeboten. Dieses Angebot richtet sich vor allem an die Demeter-Landesarbeitsgemeinschaften und die Landesverbände von Bioland und Naturland.

In den Vorträgen, Übungen und Exkursionen dieser Art von Wiesentag wird die landwirtschaftliche Bedeutung gesunder Heuwiesen vermittelt, vorbildliche Wiesen in zahlreichen Fotos gezeigt und konkrete Angaben zur optimalen Bewirtschaftung gemacht. Darüber hinaus wird es auch um die Maßnahmen zur Neuanlage von Wiesen bzw. um deren Regenerierung aus Brachen oder Intensivgrasland gehen. Solch eine Veranstaltung ist geeignet, das Interesse an gesunden Heuwiesen überhaupt erst einmal zu wecken und damit zum Wiesentag auf dem individuellen Hof anzuregen.

Der Weiterbildungs-Tag kann auch noch erweitert werden, indem Übungen zum Kennenlernen der wichtigsten Wiesengräser und -kräuter sowie Besichtigungen von Betrieben mit kräuterreichen, gesunden Mähwiesen angeboten werden.

Solche Veranstaltungen sind bereits geplant / durchgeführt von:

Demeter Hessen e.V.: am 03.06.2014 auf dem Dottenfelderhof mit dem Titel: Jedem Hof seine Wiesen – ein Tag für die Wiesenvielfalt Bioland Landesverband Nordrhein-Westfalen: am 25.06.2014 auf Hof Sackern mit dem Titel: Gesunde Heuwiesen – erkennen, optimieren, richtig bewirtschaften Gut Hohenberg, Seminarbauernhof der Stiftung Ökologie & Landbau, Rheinland-Pfalz: am 12.07.2014 mit dem Titel Die Wiese – zentrales Element mitteleuropäischer Kulturlandschaften

Literatur zum Thema

  • H.-Ch. Vahle (2014): Wiese ist nicht gleich Wiese. – Bioland-Fachmagazin 08/2014.
  • H.-Ch. Vahle (2014): Der Wiesentag. – Lebendige Erde 65 (4): 38-42. Darmstadt.
  • H.-Ch. Vahle (2015): Gesundende Landschaften durch artenreiche Mähwiesen. – Broschüre im Selbstverlag. Witten, 76 S.
  • H.-Ch. Vahle (2015): Die Glatthaferwiese von Hof Sackern. Erfolgreiche Neueinsaat einer kräuterreichen Heuwiese. – Lebendige Erde 66 (3): 38-42. Darmstadt.
  • H.-Ch. Vahle (2016): Die Würze für Ihr Futter. – top agrar 45 (4): 100-105.
  • H.-Ch. Vahle (2016): A chaque ferme ses prairies. Sur la valeur agricole des prairies de fauche. – Le bulletin des professionnels de la biodynamie / N°34 / Juillet 2016: p. 20-21.